Fußball markiert wie kaum ein anderer Sport Gender-Definitionen. Sagen wir es rundheraus: Fußball ist ein harter Männersport. Das ist er immer gewesen. Da nützt es wenig, dass die Fußballerinnen in Deutschland wesentlich konstanter erfolgreich sind als das amtierende männliche Weltmeisterteam. Immerhin: der Jugendfilm hielt in den letzten Jahren mit der Eroberung des Grüns durch junge Frauen, die „like Beckham kicken“ oder in „einer anderen Liga“ spielen, erfolgreich dagegen.
Bei den „Wilden Kerlen“ hatte einst Dribbelkönigin Vanessa die Männerdomäne geknackt. Doch was ist mit diesem Sequel los? Anfangs so schräg wie „Die kleinen Strolche“ hängt DWK6 zwischen einem Retro-Heldentum und einer faden Macho-Pose fest, die immer weniger ironisch daher kommt. Was geblieben ist sind Pathos, Helden-Mut, Männer-Rituale und mentale Erleuchtungen durch einen blinden Seher, den Rufus Beck als Ersatz-Gandalf ausstaffiert mit den Klamotten der Beatles aus ihrer „Sergeant Pepper“-Phase verkörpert. Alles ist irgendwie entlehnt. Nichts ist mehr neu und eigen.
Dass „DWK 6“ Legenden aus dem Sport, aus Abenteuer- und Fantasy-Epen und aus seiner eigenen Fortsetzungsgeschichte beschwört, ist an sich nicht überraschend. Schließlich pimpt jede TV-Sportreportage schnöde 90 Minuten Rasensport mit pathetischen Legenden auf. Dass die Legende wirklich lebt und der Stab an die nächste Generation weitergereicht wird, bleibt aber eine Behauptung.
Was prägt sich also ein, bei der next generation der Wilden Kerle? Dass es das höchste der Gefühle ist, als Mannschaft im hohen Bogen an einen morschen Bretterzaun zu pinkeln. Alles wird gut, solange du wild pisst. Da ist nur die Nachfolgerin von Vanessa – „Müller“ genannt – leider außen vor, auch wenn sie noch so viel mit FC-Bayern-Stürmer Thomas Müller gemeinsam haben mag. Außerdem: Beim entscheidenden Strafstoß gibt diese „Müller“ die Verantwortung an den leading man Leo ab. Das ist weder Thomas Müller- noch Vanessa-like.
Wie kann man noch aufregende und überraschende Narrative erschaffen, wenn der Fußball-Mainstream sich mit dem Wilde Kerle-Mainstream zu einer Monsterwelle von Macho-Pathos und Legendenbildung auftürmt?
Die schwedische Fußball-Legende Zlatan Ibrahimovic zeigt wie es gehen könnte. Erst kürzlich gab Ballzauberer Zlatan wieder eines seiner unvergleichlichen Statements ab. Seinem Arbeitgeber Paris Saint Germain machte er klar, dass dieser ihn nur dann im Frankreich halten könne, wenn der Eifelturm durch eine ebenso große Zlatan-Statue ersetzt würde. Angeberei bis zur Selbstparodie. Damit erringt man den Respekt seines Gegners und wird zum Liebling der Medien. Bei Ibrahimovic erlebt man auf vergnügliche Weise den Kippmoment, wo hinter der übersteigerten Selbst-Stilisierung der charmante Schelm nicht mehr zu verbergen ist. Zlatan rettet die Ironie vor dem Pathos.
Schelmisch und charmant ist auch die Ironie im Fußballfilm „Liverpool Goalie“. Er nimmt die wichtigste Nebensache der Welt zum Aufhänger, – und er belässt es dabei, dass Fußball angesichts von Mobbing, Familienkrisen und Liebeswirren nur nebensächlich ist. Es gibt sie und es wird sie weiter geben: Filme, die in Geschichten vom Weg zum Fußballruhm spannende persönliche Entwicklungen verpacken und die gute Mädchenrollen nicht nur alibihaft einbauen. Sie hießen „Fimpen der Knirps“ (1973), „Bando und der Goldene Fußball“ (1993), „Es gibt nur einen Jimmy Grimble“ (2000) oder eben „The Liverpool Goalie“ (2010).
Wie gut, dass diese Filme sich nicht in Sequels totlaufen mussten. In aller Regel ist es nämlich von Vorteil, in 90 Minuten eine glänzende Performance zu liefern und nicht in die Verlängerung zu müssen. Das gilt für den Fußball wie für das Kino.
© Christian Exner
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