Filmkritiken zu empfehlenswerten Kinder- und Jugendfilmen

Body

Regie: Malgorzata Szumowska | Polen 2015

Untersuchungsrichter Janusz hat wahrlich schon viel gesehen in seinem Leben und sich ein dickes Fell zugelegt. Die grausamen Eindrücke von Tatortbegehungen spült er mit Wodka herunter. Gegenüber seiner Tochter Olga erscheint er deshalb gefühllos und abgestumpft. Das ist fatal, denn Olga leidet unter dem Verlust ihrer Mutter und unter massiven Essstörungen. Mit ihrer Psychotherapeutin Anna kommt eine dritte einsame Seele ins Spiel. Auch sie hat einen ihr nahestehenden Menschen verloren, findet aber Trost darin, Botschaften aus dem Jenseits empfangen zu können.

Auf den ersten Blick ist es eine triste und traurige Welt, in der die polnische Regisseurin Małgorzata Szumowska ihre Protagonisten wandeln lässt. In der Inszenierung laufen Stränge nebeneinander her und man weiß anfangs nicht so recht, woran man sich halten soll: an Janusz ausgebufften Blick auf die harten Realitäten oder an Annas Auge für das Übersinnliche. Auch die Figur Olgas lebt von einem Widerspruch, denn ihre tiefe innere Verzweiflung trägt sie bisweilen mit Humor und Kreativität nach außen. Sie gibt sich robuster als sie eigentlich ist. Ist es rabenscharze Komödie oder ist es bitterstes Drama? Auch das scheint nicht so klar. Doch wie es Szumowska gelingt Nähe zu drei höchst unterschiedlichen Figuren aufzubauen, das ist schon ein kleines Erzähl-Wunder und darin lösen sich dann aufs Wunderbarste die scheinbaren Gegensätze auf. Diesen schrägen Film kann man durchaus als „sehr speziell“ bezeichnen, was aber uneingeschränkt als Lob gemeint ist. Er spielt sich ganz sachte in die Herzen seiner Zuschauer und verwandelt Schwere in Leichtigkeit.

© by Christian Exner

Love Steaks

Regie: Jakob Lass | Deutschland 2013

Clemens ist der Neue im Kurhaus-Betrieb an der Ostsee. Es passt zu ihm, dass er sich als Masseur auf die sanfte „Energiefeldheilung“ spezialisiert, bei der man die Patienten kaum berührt, denn Clemens ist die Schüchternheit in Person. Ganz anders Lara, die Auszubildende in der Küche. Konfrontation ist ihr Lebenskonzept und Ironie ihre Methode. Für einen Schluck aus der Pulle ist sie immer zu haben. Der viele Alkohol befeuert ihre Aggressionen. Was Clemens fehlt, hat Lara im Übermaß. Sie beginnen mit diesem Gegensatz zu spielen und knüpfen eine etwas seltsame Beziehung, – dabei kritisch beäugt von Kollegen und Vorgesetzten. Ihre persönlichen Abenteuer machen für kurze Momente den Betrieb vergessen, der zwar Wellness verkauft, aber wenig davon für seine Angestellten übrig hat. Clemens spürt immer deutlicher, wie selbstzerstörerisch Laras Grenzgänge sind. Er versucht sich als Heiler. Es braucht aber mehr als nur magische Bannkreise, wenn der Alkohol beim Kochen dauernd in Griffweite steht. Und behutsame Unterstützung nach der Schamanen-Methode fruchtet bei Lara schon mal gar nicht.

Jakob Lass macht die Improvisation und die Einbeziehung einer realen Arbeitsumgebung in „Love Steaks“ zur Kunst. Das wirkt auf den ersten Blick etwas unspektakulär und beinahe zu alltäglich. Doch immer wenn man denkt, die Tristesse des Kurbetriebs hole einen als Zuschauer ein, dann überrascht die Inszenierung mit verblüffenden Blickwinkeln, mit Dialogen, die ins Absurde abdriften, mit knalligen Sounds und mit heftigen Stimmungswechseln. Wie Sauerstoff zu Wasserstoff, so verhalten sich die Figuren von Lara und Clemens zueinander. Wo explosiv und zart sich mischen, da erwartet man den ganz großen Knalleffekt. Aber die Hauptdarsteller (ganz groß: Lana Cooper und Franz Rogowski) finden genau die richtige Chemie, um die sehr spannungsgeladene Beziehungsstudie nicht klinisch erscheinen zu lassen. Eine Liebesgeschichte der ganz besonderen Art mit einer Inszenierung, die mutig ihre eigenen Wege geht.

© by Christian Exner

KAPTN OSKAR

Regie: Tom Lass | Deutschland 2012

Oskar hat einen Schlussstrich gezogen, nachdem ihm seine Freundin Alex in Rage die Wohnung abgefackelt hat. Aber Hitzkopf Alex will das nicht kapieren. Sie rückt ihm auf die Pelle und hört nicht auf Oskar zu stalken. Es ist krank. Nur leider nicht krank genug für eine Zwangseinweisung. Mit seiner neuen Freundin Masha trifft Oskar daher eine klare Abmachung: Nähe und Zärtlichkeit ja, aber definitiv keinen Sex! Alles diesmal ganz entspannt und ohne Aufregung. Anfangs fühlt es sich richtig an. Aber auf die Dauer wird es komisch, denn Mashas aufgesetzte Kindlichkeit und Oskars Nerd-Attitüde erschweren eine intensivere Annäherung. Die Frage nach dem Sex-Tabu würde Oskar deshalb gerne noch einmal zur Diskussion stellen.

Drei Schauspieler und ein Mini-Budget ergeben einen filmischen Knaller. Wie kann das sein?
Tom Lass dreht ebenso wie sein Bruder Jakob Lass in Love Steaks nach dem Mumblecore-Konzept. Das ist die minimalistischte Produktion-Stufe, die man sich vorstellen kann; Independent nach dem do-it-yourself-Muster, ursprünglich mit oft schlechtem Ton und überlappenden Dialogen (daher: mumble=murmeln). Es ähnelt sehr dem Ansatz von Axel Ranisch (Ich fühl mich Disco, Dicke Mädchen), der sich mit seinem „Sehr-gute-Filme-Manifest“ aus Kreativitäts-hemmenden Produktions-Korsetts befreien konnte. Ranischs Spontanität und Lockerheit zeichnen auch die Produktionen der Brüder Lass aus. In der Improvisation gelingen dem Hauptdarsteller, Regisseur und Autor Tom Lass alias „Oskar“ zusammen mit seinen Schauspiel-Partnerinnen (Amelie Kiefer als Masha und Martina Schöne-Radunski als Alex – beide hinreißend!) immer wieder Gesten und Dialoge, die überraschen, berühren und amüsieren. Sein zurückhaltendes Tasten im Beziehungsgeplänkel und sein Testen eines sehr speziellen Partnerschafts-Modells erscheinen mal linkisch, mal melancholisch und oft umwerfend witzig – besonders dann wenn man unterschwellig spürt, dass sich die Figur des Oskar vielleicht nur den Anschein eines Slackers gibt.
Beinahe scheint es so, als sei auch Tom Lass‘ Mumblecore-Understatement nur Schein, denn in seinem Regiewerk „Kaptn Oskar“ kann er sich viel besser präsentieren als in vielen seiner bisherigen TV-Rollen. Auch die ganze Aufmachung des Projektes – vom Trailer bis zur Postproduktion – wirkt kaum handgestrickt. Ist das überhaupt noch einer dieser kleinen schlampigen „Murmel-Filme“?
 Egal was es ist: Mehr davon bitte!

© by Christian Exner